Doris Kieber freut sich immer, wenn sie anderen Menschen helfen kann. Neben ihrer Familie und ihrer Arbeit im Büro organisiert sie Alterspflege und betreibt Hundesport. «Wie bringst du das alles unter einen Hut?» Diese Frage hört Doris Kieber öfters. Und ihre Antwort ist einfach: «Wenn man etwas gerne macht, empfindet man es nicht als Arbeit.»

Die gelernte Kaufmännische Angestellte ist nicht nur Vollzeit im Büro angestellt. Sie kümmert sich daneben um ihre pflegebedürftige Schwester, organisiert eine Pflegevermittlung, ist im Tierschutz engagiert und immer für ihre Familie da. Sie zeigt auf das Schild im Eingangsbereich ihrer Wohnung: «Hotel Mama», steht in grossen Buchstaben auf einem Schild. Doris Kieber empfindet das nicht als lästige Pflicht, sondern als erfüllende Aufgabe. Obwohl ihre Kinder schon erwachsen sind, schätzen sie es nach wie vor, zu Hause bei Mama zum Mittagessen zu kommen. «Ich koche gerne. Deshalb mache ich im Büro am Vormittag früher Mittagspause, damit ich meine Familie verköstigen kann. Das gefällt mir», freut sich die 59-Jährige. Das gute Verhältnis zu ihren Kindern gibt ihr viel Kraft und sie spricht voller Stolz von ihnen.

Wenn man etwas gerne macht, empfindet man es nicht als Arbeit.

   Dass sich ihr Dasein als fürsorgliche Mutter und die sogenannte Selbstverwirklichung sich nicht ausschliessen, beweist sie täglich. Dabei waren es nicht immer bewusste Entscheidungen, die sie freiwillig fällte. Sie wurde schon früh gebraucht. 

Früh in der «Mutterrolle» 

Als Doris Kieber 10 Jahre alt war, erkrankte ihre Mutter schwer. Ihr Vater brauchte sie bei diesem Unterfangen und bereits jetzt wurde sie sich ihres Talents bewusst, für andere da zu sein. Obwohl ihrer Mutter von den Ärzten nicht mehr viel Überlebenszeit prophezeit wurde, konnte Doris sie noch lange begleiten. «Wir waren bei verschiedenen Ärzten. Später entschied sich meine Mutter für Heilpraktiker und Geistheiler. Ich war immer dabei und konnte hier sehr viel lernen», erinnert sich Doris Kieber. Nicht zuletzt aufgrund dieser Begleitung konnte ihre Mutter noch 18 Jahre weiterleben, ehe sie im Jahr 1985 verstarb. «Ich empfand die Aufgabe als sehr erfüllend», blickt die Maurerin zurück. 

   Inzwischen hatte sie geheiratet und war Mutter von zwei Kindern. Bereits ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter war ihr Beistand wieder ge- fragt. Ihre ältere Schwester musste aufgrund eines Herzfehlers operiert werden. Nach der Reha nahm ihre kleine Schwester Doris sie wieder bei ihr auf. «Fünf Jahr später erlitt sie einen Hirnschlag und konnte nicht mehr arbeiten, weil sie halbseitig gelähmt war.» Auch hier war wieder Doris gefragt, die sich liebevoll und mit viel Organisationstalent um ihre ältere Schwester kümmerte. Doch das war noch lange nicht das Ende der Leidensgeschichte ihrer Schwester. «Wir waren über Neujahr 2003 in Österreich. Als wir zurückfuhren, erlitt sie im Zug eine Hirnblutung zwischen Salzburg und Innsbruck. Zum Glück konnten wir sie schnell versorgen und in Innsbruck wurde ihr das Leben gerettet.»

Nicht ohne fremde Hilfe 

Nun wurde ihr bewusst, dass die Pflege nicht mehr ohne fremde Hilfe möglich ist. Kurzerhand machte sie sich über die Möglichkeiten schlau und suchte einen Weg, das Ganze finanzierbar zu gestalten. Mit einer Pflegerin aus Brasilien fand sie die richtige Lösung. Es war ihr deshalb ein Anliegen, das Ganze auszubauen. […] Und es wurde ihr bewusst, dass sich die finanzierbaren Pflege-Angebote im Land in Grenzen halten. «Das ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Die Pflegerinnen verdienen – im Vergleich zu ihren Heimatländern – gut, die Pflegebedürftigen sind in den eigenen vier Wänden gut versorgt und ich bin zufrieden, weil ich helfen konnte», erklärt Kieber.

   Besonders wichtig sei es ihr dabei, die Familien der Pflegebe- dürftigen miteinzubeziehen und sie auch immer wieder persönlich zu besuchen. Diesen Stellenwert hätten die «Klienten» verdient. «Das Persönliche ist hier entscheidend, weil solche Arrangements viel Vertrauen voraussetzen», weiss die 59-Jährige. Um die Gepflegten optimal betreuen zu können, sei es nun mal unerlässlich, ihre Bedürfnisse zu kennen. «Man wird fast ein Teil der Familie, erlebt viele Geschichten und versucht, dort zu helfen, wo man kann.» […]

Das Persönliche ist hier entscheidend, weil solche Arrangements viel Vertrauen voraussetzen.

   Denn obwohl sie auf die 60 zugeht, denkt sie noch lange nicht daran, ihren Job im Büro an den Nagel zu hängen. «Dazu macht er mir zu viel Freude. Und er lässt sich immer noch gut mit der Organisation in der Alterspflege vereinbaren.» Dass es eines Tages Zeit für die Pensionierung sei, sei ihr bewusst. Dann werde sie die Alterspflege auf jeden Fall weitermachen. Es soll aber niemals ein Ausmass annehmen, bei dem sie die Familien nicht mehr persönlich betreuen kann. «Darunter würden alle Beteiligten leiden.» 

Ihre Hunde als Kraftquelle

Nicht nur für ihre Mitmenschen ist Doris Kieber eine verlässliche Freundin, sondern auch für Vierbeiner. Auf den Hund gekommen ist sie schon lange. «Da wir praktisch auf einem Bauernhof gross geworden sind, war ich schon immer tierlieb», erklärt Doris Kieber. Als ihre Tochter Daniela mit ein paar engagierten Kolleginnen den Verein Pfotenwerk gründete, half sie dort von Anfang an mit. Sei es, bei der Organisation von Auftritten – z.B. an Weihnachtsmärkten – oder bei der Aufnahme von Pflegehunden: Sie ist stets auf Abruf bereit, mitanzupacken, wenn es um das Wohl der Fellnasen geht. 

   Die Tiere verbinden sie auch mit anderen Menschen. Sowohl im Hundesport als auch bei Spaziergängen mit ihren Vierbeinern schloss sie viele Bekanntschaften, die dann zu Freundschaften wurden. So werden ihre Hunde zur Kraftquelle und hal- ten die Maurerin auf Trab und geben ihr Kraft. Zum Beispiel für übermorgen, wenn sie ihre ältere Schwester in Walenstadtberg abholt. Denn nachdem bei ihr nach 30 Jahren die Herzklappe erneuert wurde, fiel sie ins Koma. Und nun wird sich Doris wieder mit ihren Pflegerinnen um sie kümmern.

(Auszug aus der LIEWO vom 29. Januar 2017, Interview mit M. Winkler, Medienhaus.li)